Es gibt Gärten, die wirken wie gemalt – nicht streng komponiert, sondern lebendig, in Bewegung. Jedes Jahr ein neues Bild, scheinbar zufällig entstanden, und doch voller Harmonie. Der Schlüssel dazu? Pflanzen, die sich selbst versamen dürfen.
Stauden wie Witwenblume (Knautia macedonica), Eisenkraut (Verbena bonariensis) oder Moschusmalven (Malva moschata) säen sich ohne unser Zutun aus – ganz von selbst. Sie tauchen plötzlich an neuen Stellen auf, bringen alte Beete zum Leuchten oder füllen Lücken, die man selbst übersehen hat. Sie sind Künstlerinnen des Gartens – mit dem Wind als Pinsel.
Wer sich selbst sät, überrascht
Manche dieser Pflanzen sind Wildstauden, andere kultivierte Gartenformen – aber sie alle eint ihre Bereitschaft, sich zu vermehren und neue Wege zu gehen.
Da ist das zarte Leinkraut (Linaria vulgaris), das plötzlich zwischen den Fugen erscheint, wie ein Sonnenstrahl aus dem Pflaster. Die Königskerze (Verbascum nigrum), aufrecht und still, wie eine Statue der Wildnis. Die tänzelnde Skabiose (Scabiosa ochroleuca), die sich weigert, Ordnung zu halten, und lieber mitten im Weg aufblüht. Oder das Mutterkraut (Tanacetum parthenium), das mit seinen weißen Köpfchen eine ganze Ecke des Gartens in ein Margeritenmeer verwandelt. Der Wiesensalbei (Salvia pratensis), der sich mitunter wirklich schön vermehrt und sogar Straßenränder in leuchtendes BLAU taucht.
Diese Pflanzen kommen nicht auf Bestellung – sie kommen, wenn die Bedingungen stimmen. Und manchmal bleiben sie auch wieder weg. Doch gerade diese Unvorhersehbarkeit macht sie so spannend.
Standortgerecht – der Schlüssel zur Freiheit
Damit sie sich wohlfühlen, ist eines entscheidend: der richtige Standort.
Sich selbst versamende Stauden sind keine verwöhnten Gartendiven – aber sie haben ihre Vorlieben.
In sonnigen, trockenen Beeten fühlen sich Origanum vulgare, Scabiosa ochroleuca, Verbascum und Linaria besonders wohl.
Hesperis matronalis liebt den lichten Schatten, wo sie im Frühling duftet und abends die Luft erfüllt.
Malva, Knautia und Verbena gedeihen am besten in durchlässiger, eher magerer Erde – dort, wo man nicht zu viel gießt.
Wer den Pflanzen passende Bedingungen bietet, braucht kaum noch einzugreifen. Sie erledigen den Rest selbst.
Tipp:
Auch bei den Zwiebelblühern gibt es solche Vagabunden: Wildtulpen und Schneestolz vermehren sich gut, der Zierlauch 'Purple Sensation' versamt sich, und die Ameisen tragen die Samen von Blausternchen durch den Garten.
Mäuse verschleppen Krokuszwiebeln, um sie für den Winter einzulagern – so entstehen ganz unverhofft neue Gartenbilder.
Pflege zwischen Loslassen und Lenken
Ein wildes Staudenbeet ist kein Selbstläufer – aber es verlangt eine andere Art der Pflege. Nicht die tägliche Kontrolle, sondern die Fähigkeit, zu beobachten.
Was hat sich denn hier so üppig versamt? Ist das schön, oder wird eine andere Pflanze bedrängt?
Manchmal darf eine Pflanze bleiben, weil sie gut passt. Manchmal wandert sie an einen anderen Ort. Und manchmal greife ich ein – mit der Schere oder dem Spaten.
Der Trick liegt im selektiven Eingreifen. Nicht alles wachsen lassen – aber auch nicht alles sofort entfernen. So entstehen Beete, die überraschend, aber nicht chaotisch sind.
Und: Nicht zu früh schneiden! Die Samenstände vieler Stauden sind Futter für Vögel – und das Startkapital für den nächsten Frühling.
Es wächst ja auch nicht alles überall gleich gut. Bei uns klappt es mit den Malven nicht, wobei sie bei der Freundin wuchern und herrlich üppig sind. Dann mal andere Standorte ausprobieren. Die Freundin verschenkt ja auch gerne von ihrem Überfluss.
Natürlich, manchmal wird’s auch zu viel. Manche Pflanzen sind eben nicht nur Künstlerinnen, sondern auch Kolonialisten. Es gilt, Balance zu halten zwischen Freiheit und Führung. Und sich nicht scheuen, Grenzen zu setzen.
Der stille Gewinn: Ein Garten, der lebt
Was ich durch das Zulassen dieser Pflanzen gewinne, ist mehr als nur ein hübscher Anblick. Es ist ein anderes Gefühl für den Garten.
Diese Art des Gärtnerns braucht Mut. Und die Erkenntnis, dass ein Garten nie fertig ist. Sondern immer im Wandel!
Fazit:
Selbstversamende Stauden sind keine Unordnung, sondern eine Einladung zur Zusammenarbeit.
Sie fordern uns auf, zu beobachten, loszulassen, zu begleiten.
Wer sich auf sie einlässt, bekommt keinen perfekten Garten – aber einen lebendigen.
Und das ist, finde ich, das Schönste, was ein Garten sein kann.